Ukraine-Hilfe Gemeinsam lachen und weinen

Kreis Viersen · Seit über einem Jahr treffen sich geflüchtete Frauen aus der Ukraine einmal in der Woche im Viersener Haus der Caritas. Sie finden sich in ihr neues Leben ein – und haben Angst um ihre Familien, die zurückbleiben mussten.

Gemeinsame Aktivitäten, gegenseitige Hilfe: Der wöchentliche Ukraine-Hilfekreis der Caritas in Viersen unterstützt die geflüchteten Menschen.

Foto: Caritas

. Ina geht oft mit ihrem Mann spazieren. Dann zeigt sie ihm mit der Kamera ihres Smartphones die Stadt, in der sie jetzt lebt: Viersen. Zwischen den beiden Eheleuten liegen fast 2.400 Kilometer, sie halten virtuell den Kontakt. Kurz nach dem Angriff auf ihr Land flüchtete Ina mit ihrem damals 17-jährigen Sohn Mykyta. Ihr Mann Alexander musste in der Ukraine bleiben – wie fast alle Männer über 18.

Mit Zug und Bus reisten Mutter und Sohn nach Mönchengladbach. „Hier lebt die Schwester eines Kollegen meines Mannes seit 20 Jahren mit ihrem polnischen Mann“, erzählt Ina, die vor dem Krieg als Krankenschwester in der Uniklinik in Charkiw gearbeitet hat. Schnell fanden sie und Mykyta eine Gastfamilie in Süchteln, wo sie die ersten fünf Monate verbrachten. Der inzwischen 19-jährige Mykyta spielt Fußball beim ASV Einigkeit Süchteln – das Talent im Umgang mit dem Ball hat er von seinem Vater geerbt, der früher Profi in der 1. ukrainischen Liga war.

Seit gut einem Jahr gehört Ina zum Ukraine-Hilfekreis des Caritasverbandes. Jede Woche treffen sich im Haus der Caritas in Viersen geflüchtete Frauen aus der Ukraine. Da ist die Wirtschaftsstudentin Katja (22), die Kinderärztin Olena (48), die Maklerin Nadiia (52), die Lehrerin Tatjana (56) oder die pensionierte Kauffrau Liubov (71). Sie kommen aus unterschiedlichen Orten in der Ukraine und haben unterschiedliche Biografien – aber eines ist ihnen gemeinsam: Jede von ihnen hat ihr altes Leben aufgegeben, als ihr Land angegriffen wurde.

Caritas-Gemeindesozialarbeiterin Manuela Nazemi-Bogda leitet den Hilfekreis gemeinsam mit Jutta Simon-Karrenberg. „Wir haben uns kurz nach dem Beginn des Krieges mit diesem Angebot auf den Weg gemacht“, berichtet Nazemi-Bogda. Am Anfang standen ganz elementare Fragen im Vordergrund: Wie erhalte ich eine finanzielle Unterstützung. Wo finde ich eine Wohnung? Wer begleitet mich zu einer Behörde? Wie komme ich an eine Waschmaschine?

„Inzwischen trägt unsere wöchentliche Zusammenkunft dazu bei, dass die Frauen nicht alleine sind und sich austauschen sowie eine Hilfe zur Selbsthilfe erhalten können“, sagt Jutta Simon-Karrenberg. So unterstützen sie sich gegenseitig, wenn es um die Anmeldung bei einer Wohnungsgesellschaft geht. Derzeit sucht Liubov eine Wohnung – bisher lebt die 71-Jährige mit sechs Personen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung und schläft in einer Nische in der Küche. Die Gruppe war auch zusammen auf dem Wochenmarkt und hat Obst und Gemüse eingekauft. Wenn sich die Ukrainerinnen treffen, wird viel Deutsch gesprochen, um die Sprache zu üben. Manuela Nazemi-Bogda: „Wir möchten den geflüchteten Frauen den Raum geben, über ihre Themen zu reden. Alles hat hier Platz. Wir weinen zusammen und wir lachen zusammen.“

Die Frauen haben Angst, weil ihre Familien noch in der Ukraine sind. Die meisten telefonieren täglich mit ihren Lieben. Olenas Mann, ein Politikwissenschaftler, lebt in Kiew, ihr jüngerer Sohn (19) studiert Orientalistik. Auch ihre Mutter und die Schwester sind in ihrem Heimatland. „Meine Entscheidung, nach Deutschland zu gehen, war spontan und stressbedingt“, sagt die Kinderärztin, „aber jetzt habe ich mich in dieses Land verliebt.“

Vor einigen Monaten wollte sie zurück in die Ukraine gehen, aber ihr Mann sagte: „Bleib in Deutschland.“ Nun wünscht sie sich, dass sie mit ihm und ihrem jüngeren Sohn hier leben kann. Olena will das Sprachniveau B2 erlangen und einen medizinischen Sprachkurs absolvieren. „Ich möchte als Ärztin arbeiten und etwas für die Menschen aus der Ukraine tun, die jetzt hier leben – vielleicht zusammen mit einem deutschen Arzt“, erklärt sie.

Nadiia hat von einem Freund erfahren, dass es den Hilfekreis gibt. Die 52-Jährige ging hin, weil sie sich neue Kontakte wünschte. „Ich bin wunderbar aufgenommen worden, und inzwischen ist die Gruppe wie eine Familie für mich“, erzählt sie. Auch Tatjana kann sich vorstellen, in Deutschland zu bleiben. Ina wiederum fällt es schwer, für die Zukunft zu planen. „Alles hängt davon ab, wann der Krieg zu Ende ist“, sagt sie.