Meerbuscher Maßnahmenpaket Natürliche Vielfalt erwünscht

Meerbusch · Von Futterpflanzen in Grünanlagen bis zum Nistkasten auf dem Friedhof: Die Stadt Meerbusch möchte mit einem dicken Maßnahmenpaket für mehr biologische Vielfalt in der Stadtlandschaft sorgen.

Leon Morsowski, städtischer Azubi für Garten- und Landschaftsbau, hängt auf dem Strümper Friedhof einen der selbstgezimmerten Meisenkästen auf. Dominik Vogt, Leiter der Ausbildungskolonne, sichert die Leiter.

Foto: Stadt Meerbusch

Heimische Singvögel sollen in den städtischen Grünanlagen, auf den Friedhöfen und im städtischen Wald wieder mehr Nist- und Brutmöglichkeiten finden. In einem ersten Schritt wurden vor kurzem 22 neue Nistkästen für Meisen, Kleiber und Rotkehlchen aufgehängt. Zusätzlich haben die Stadtgärtner 17 Flachkästen für spaltenbewohnende Fledermausarten in den Bäumen verteilt. Die Jugendlichen der Ausbildungskolonne hatten die Nist- und Versteckhilfen im vergangenen Winter unter fachlicher Anleitung selbst gebaut, weitere sollen im nächsten Jahr hinzukommen.

„Wir möchten, dass unsere Mitarbeiter neben dem gärtnerischen Know-how auch mit einem gesunden Grundwissen über die heimische Tier- und Pflanzenwelt an die Arbeit gehen“, sagt Michael Betsch, Bereichsleiter für die städtischen Grünflächen, die Friedhöfe und den Baubetriebshof. Welche natürlichen Verstecke in Baumhöhlen, Spalten oder Rissen nutzen Fledermäuse, wie fliegen sie ihren Unterschlupf an, und wie müssen die künstlichen Unterschlupfe richtig angebracht werden? Tipps und Infos dazu gab es aus erster Hand: Fledermaus-Expertin Daniela Nicola von der NABU-Ortgruppe Meerbusch führte Azubis, Forstarbeiter und Baumpfleger in Lebensweise und Bedürfnisse der nachaktiven Tiere ein.

Seit vielen Jahren spielt Biodiversität bei der Planung und Umsetzung von städtischen Projekten eine große Rolle. Bei der Auswahl von Gehölzen und Stauden wird auf eine Vielfalt geachtet, die Krankheiten standhalten kann und eine reichhaltige Tierwelt anlockt. Eine gezielte Sortenauswahl sorgt dafür, dass möglichst viele Tiere angesprochen werden. „Die heimische Schlehe dient zum Beispiel 20 Vogelarten als Futterpflanze, während der Portugiesische Kirschlorbeer nur zwei Vogelarten Nahrung liefert“, erklärt Michael Betsch.

Zudem wurde in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Projekten mit dem ausdrücklichen Ziel umgesetzt, die biologische Vielfalt in der Stadt zu verbessern. Hier ein Überblick:

Wildblumenwiesen

Seit 2015 legt die Stadt Wildblumenwiesen mit heimischen Saatgut an. Bisher wurden, verteilt im ganzen Stadtgebiet, fast 140 000 Quadratmeter Fläche in Wildblumenwiesen umgewandelt und fachgerecht gepflegt. Die Flächen werden alle zwei Jahre von einem Fachmann kartiert und bewertet. Bis auf einige wenige Ausnahmen hat sich eine artenreiche heimische Flora entwickelt, die insbesondere Nahrungs-, Fortpflanzungs- und Überwinterungshabitate für heimische Insektenarten bietet. Jedes Jahr kommen ein bis zwei Flächen dazu.

Naturnahe Schaugärten

Im Stadtgebiet verteilt wurden sechs Gärten zur Förderung der heimischen Tier- und Pflanzenwelt angelegt und mit Informationstafeln versehen. Ein QR-Code verweist auf die Webseite der Stadt mit weiterführenden Informationen. Zusätzlich werden jährlich in den Sommermonaten für Kindergärten, Schulen und die Meerbuscher Bevölkerung Workshops mit einer Umweltpädagogin angeboten. „Wir wollen das Thema unbedingt auch in die privaten Gärten tragen – hier sehen wir großes Potential“, so Michael Betsch. Zwei weitere Schaugärten sollen in Lank und Büderich entstehen. Die Work-Shops, die im vergangenen Jahr sehr gut angenommen wurden, sollen auch in der Zukunft jährlich an allen Schaugartenstandorten angeboten werden.

Wegraine-Konzept

Auf nicht mehr benötigten Wirtschaftswegen möchte die Stadt heimische Sträucher und Wildblumenstreifen etablieren, ein entsprechendes Konzept wurde 2022 vorgelegt. Die dabei entstehenden Biotopverbünde sollen für mehr Artenvielfalt im landwirtschaftlich genutzten Raum sorgen. Drei dieser Projekte werden im kommenden Herbst umgesetzt, jährlich sollen weitere folgen.

Waldflächen

Die Biodiversität ist auch für das Funktionieren des Waldökosystems von großer Bedeutung. Die Stadt Meerbusch berücksichtigt dies bei der Bewirtschaftung des Waldes sehr konkret: Totholz und so genannte Habitatbäume, die vielen Tierarten als Brutort dienen, werden gezielt erhalten. Auf fünf Prozent der Waldflächen liegt ein freiwilliger Nutzungsverzicht. Zudem arbeitet die Stadtverwaltung daran, in den Genuss des Förderprogramms des „Klimaangepasstes Waldmanagement“ zu kommen. Die meisten Kriterien dafür werden bereits erfüllt. Gerade wird geprüft, wie durch gezielte Stilllegung von Entwässerungsgräben und andere Maßnahmen natürliche Feuchtbiotope im Wald wiederhergestellt und entwickelt werden können.

Bei Aufforstungen werden Baumarten verwendet, die sich zu einem standortgerechten und artenreichen Laub- und Mischwald entwickeln. Zusätzlich werden Testbaumarten wie Esskastanie, Baumhasel oder Tulpenbaum gepflanzt, um Auswirkungen des Klimawandels aufzufangen. Seit 2021 bringt die Stadt jedes Jahr insektenfreundliche Zwiebelpflanzen wie Bärlauch, Krokusse, Narzissen und Blaustern als Initialpflanzungen in Wald- sowie andere Grünflächen ein. In den letzten Jahren wurden rund 3,5 Hektar Stadtfläche aufgeforstet, vier weitere Hektar sollen in den nächsten Jahren hinzukommen. 

Klimaangepasste Bauleitplanung

In allen neu aufgestellten Bebauungsplänen gibt es textliche Festsetzungen zur Biodiversität. Alle Bäume mit einem Stammumfang ab 80 Zentimetern werden seit einigen Jahren in den B-Plänen geschützt, Vorgärten müssen zu einem hohen Prozentsatz begrünt werden, und auch für die Freiflächen gibt es Auflagen. Zusätzlich wurde eine Checkliste für Vorhabenträger entwickelt, damit bereits im Vorfeld von Bauvorhaben klimarelevante Themen in die Planung einfließen. 

Mobiles Grün

Im Klimafolgen-Anpassungskonzept der Stadt Meerbusch wurde der Dr.-Franz-Schütz-Platz als sogenannter Hotspot im Herzen Büderichs identifiziert. Um dem entgegenzuwirken, wurden insgesamt 32 Stellplätze entsiegelt und 19 Baumkübel aufgestellt, die mit insektenfreundlichen, großen Solitärgehölzen als Schattenspender und Stauden bepflanzt wurden. Die gesamte Maßnahme ist zu 100 Prozent vom Land NRW gefördert worden.

Naturnaher Schulhofumbau

In Zusammenarbeit mit den Schulen wurden bisher die Schulhöfe der Eichendorff-Schule in Osterath und der Martinus-Schule in Strümp gemeinsam mit den Schülern naturnah umgestaltet. Die Art der Spielflächen wurde verändert, heimische Wildsträucher und Stauden angepflanzt. Zum Konzept gehören Umweltbildung und regelmäßige Gartenpflegetage, die über Generationen ein Bewusstsein für die heimische Tier- und Pflanzenwelt erzeugen sollen.

Auf weiteren Schulhöfen werden nach und nach Elemente der Biodiversität integriert wie zum Beispiel eine Ackerfläche und ein Hochbeet mit Kräutern an der Adam-Riese-Schule und je ein Staudenbeet am Mataré- und am Meerbusch-Gymnasium. In diesem Jahr sollen mit den Schülern der Garten-AG der Realschule Osterath im Bereich des Schulgartens heimische Stauden an der Teichanlage gepflanzt und weitere Naturgartenelemente integriert werden. 

Entsiegelung von Flächen

Versiegelte Flächen, die in dieser Form nicht mehr benötigt werden, sollen nach und nach zurückgebaut und in Pflanzflächen umgewandelt werden. 2022 wurde am Missouri-Platz in Lank eine größere Fläche entsiegelt und bepflanzt. Auf einem Spielplatz an der Camesallee in Strümp soll im Zuge der Sanierung eine Asphaltfläche von 170 Quadratmetern durch eine Rasen- und Sandfläche ersetzt werden. Weitere Flächen sollen folgen. 

Dach- und Fassadengrün

Auch begrünte Dächer und Fassaden tragen zu mehr Biodiversität bei, da hier zusätzlicher Lebensraum für Pflanzen und Tiere geschaffen wird. Dazu wurde eine Gründachsatzung aufgestellt und Fördermittel bereitgestellt. 

Glyphosatverbot

Seit Jahren verzichtet die Stadt auf jeglichen Einsatz von chemischen Unkrautbekämpfungsmitteln. Zudem ist auf allen verpachteten städtischen Flächen die Verwendung von Glyphosat verboten. Dies wird im Rahmen der Pachtverträge mit den Landwirten schriftlich vereinbart. 

Baumschutzsatzung

Die Baumschutzsatzung der Stadt Meerbusch kann die Fällung von Bäumen nicht grundsätzlich verhindern. Sie sichert aber den Baumbestand im Stadtgebiet, da für gefällte Bäume ab einem Stammumfang von 80 Zentimetern mindestens ein neuer Baum als Ersatz nachgepflanzt werden muss. Fachleute der Stadt bieten dazu Beratung an. Ziel ist es, die Menschen für einen verantwortungsvollen Umgang mit erhaltenswertem Baumbestand zu sensibilisieren.

Umweltbildung und Information

Auf dem jährlichen Ökomarkt informiert die Stadt regelmäßig über Maßnahmen zur Verbesserung der Biodiversität, dazu werden heimische Wildstauden und heimisches Saatgut verteilt. Der Meerbuscher Umweltkalender enthält eine Vielzahl von Hinweisen, wie Bürgerinnen und Bürger selbst aktiv werden und die Biodiversität in der Stadt erhöhen können.

Auch der Wettbewerb „Meerbuschs Vorgärten des Jahres“ trägt zu einem erhöhten öffentlichen Bewusstsein für ökologische Belange bei. Die Informationsbroschüre „Naturnahe Vorgärten“ wirbt darüber hinaus für blühende Alternativen zu den leider weit verbreiteten Schottergärten. Städtische Mitarbeiter werden zudem durch regelmäßige Fortbildungen für einen umweltgerechten Umgang mit den städtischen Grünflächen sensibilisiert. 

Insektenschutz

Die Stadt Meerbusch wirkt aktiv mit beim sogenannten „Aktionsbündnis Insektenschutz“, einer Initiative des Rhein-Kreises Neuss. Die Stadtverwaltungen im Kreis tauschen ihre Insektenschutzprojekte aus und unterstützen sich gegenseitig. Die Stadt Meerbusch gehört hier kreisweit zu den Vorreiterkommunen.