Frank Liebert engagiert sich mit dem SCI seit 10 Jahren unter dem Motto: "Jugend gestaltet Zukunft" mit Jugendlichen aus Moers, diesen Ort der Erinnerung im Gedächtnis zu halten: "Begonnen hat unser Engagement für die Erinnerungs- und Friedensarbeit mit der Wiederherstellung des verwahrlosten Rosengartens, der im tschechischen Lidice nach dem Krieg, zur Erinnerung an die Zerstörung des Ortes und der Erschießung seiner männlichen Bewohner als Vergeltung für das Attentat auf Heydrich, angelegt worden war. Als wir ankamen, hat sich der Bürgermeister geweigert, mit uns auch nur ein Wort Deutsch zu sprechen, als wir den Rosengarten wieder hergestellt hatten, hat er uns dann in deutscher Sprache verabschiedet, das hat mich sehr berührt und uns gezeigt, wie wichtig unsere Arbeit für die Freundschaft zwischen den Nationen und für Europa ist. St. Anna die Stazzema war dann der nächste Ort, den es galt, auch mit unserer Hilfe, der Vergessenheit zu entreißen. Inzwischen war der SCI mit mehr als 100 Jugendliche hier und hat an der Gestaltung vom Park des Friedens mitgearbeitet, jetzt im Juni folgt das nächste Friedenskamp."
Die Moerser Delegation wurde von der Stadtspitze von St. Anna di Stazzema herzlich begrüßt. Heinz-Gerd Hackstein überbrachte die Grüße von Bürgermeister Fleischhauer und dessen Wunsch, die über Jahre gewachsene Freundschaft, die ihren Ausdruck auch im Besuch des stellvertretenden Bürgermeister von St. Anna di Stazzema Egidio Pelagatti und des Zeitzeugen und Vorsitzenden des Opferverbandes Enrico Pieri 2016 fand, weiter zu festigen. Die Stadtspitze von St. Anna bekräftigte ihrerseits ebenfalls den Wunsch, die gewachsenen Beziehungen weiter zu entwickeln.
Auf dem Kreuzweg zum Mahnmal folgte die Moerser Delegation den Vertretern der Landesregierung aus Rom unter Führung des Justizministers Andrea Orlando, den Würdenträgern aus Region und Nachbargemeinden. Das Grußwort von Bürgermeister Fleischhauer wurde verlesen. Justizminister Orlando begrüßte besonders die Gäste aus Deutschland an diesem Ort und griff die Warnung von Christoph Fleischhauer vor neuem nationalem Egoismus in Europa und seinen Hinweis auf die Krisen und Kriege rund um Europa auf, die uns alle darin bestärken sollten, uns weiter für ein gemeinsames, friedliches Europa einzusetzen.
Enrico Pieri, der als 10 jähriger die Ermordung seiner gesamten Familie durch die SS miterleben musste, fand bewegende Worte: "Hass führt zu nichts führt. Ich habe vergeben hat und freue mich über die jungen Deutschen aus Moers, die sich hier hinauf auf den Weg nach St. Anna machen."Als 10-Jähriger hat er die vielen Leichen, Männer, Frauen, Kinder, vor der Kirche von St. Anna gesehen, die die SS mit herausgerissenen Kirchenbänken zu einem Scheiterhaufen aufgeschichtet und in Brand gesetzt hatte. Er hat sich allein auf den Weg in die Schweiz gemacht, dort am eigenen Leib erfahren, was Emigration und Migration bedeutet, ist spät, als alter Mann, in sein Heimatdorf zurückgekehrt, um sich zu engagieren, damit das Verbrechen vom 22. August 1944 nicht ungesühnt bleibt.
Unter den Gästen des Festaktes war auch Staatsanwalt Marco de Paolis von der Militärstaatsanwaltschaft in La Spezia, der alles daran gesetzt hat, die Verantwortlichen SS-Offiziere noch zu Lebzeiten vor Gericht zu bringen. 1994 wurden im sogenannten "Schrank der Schande" im Justizpalast in Rom, Akten aus dem Jahr 1945 gefunden, in denen die Alliierten mit gerichtsfesten Beweisen, direkt nach der Befreiung von St. Anna, die Verantwortlichen benannt, Zeitzeugen befragt und Beweise gesichert hatten. 2005 wurden 10 Angehörige der 16. Division der Waffen SS in La Spezia wegen hundertfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Auslieferungsgesuche liefen ins Leere. Das Massaker blieb bis heute ungesühnt.
Frank Liebert: "Umso wichtiger ist gerade deshalb, dass wir diesen Ort der Erinnerung im Bewusstsein halten. Wir werden uns hier weiter engagieren und würden uns freuen, wenn wir auf den Weg zu einer echten Städtepartnerschaft zwischen Moers und St. Anna voran kommen".
Im Herbst geht die Filmdokumentation des Koblenzer Filmemachers Jürgen Weber: "Das zweite Trauma — das ungesühnte Massaker von St. Anna di Stazzema"
auf Deutschlandtournee. Der Film soll dann auch nach Moers kommen. Zusammen mit Vorträgen, Begegnungen mit letzten Zeitzeugen, Konzerten, sollen die Moerser dann Gelegenheit bekommen, St. Anna di Stazzema und seine Geschichte kennen zu lernen, das wäre dann tatsächlich ein "Moerser Signal" sich mit unserer Geschichte und mit der Zukunft Europas auseinanderzusetzen.