Apotheken schlagen Alarm Hilferuf an alle Abgeordneten
Mönchengladbach · Arzneimittelknappheit, Lieferengpässe, Onlinehandel und übertriebene bürokratische Vorgaben lassen die Apotheker*innen derzeit verzweifeln. Andrea Prochaska, Inhaberin der Sonnen Apotheke, hatte den Bundestagsabgeordneten Dr. Günter Krings, CDU, in einem Hilfe-Brief um Unterstützung gebeten.
Andrea Prochaska, seit 24 Jahren Inhaberin der Waldhausener Sonnen Apotheke, ist mit Leib und Seele Apothekerin. Patienten beraten, Therapien erklären, zuhören und seelischen Beistand leisten das ist ihr Ding. Der Erfolg einer Medikation hänge ganz entscheidend auch davon ab, ob der Patient von ihrer Richtigkeit überzeugt sei. „Wir sind vor Ort so wichtig, weil wir so viel mehr machen, als nur die Abgabe von Arzneimitteln“, sagt sie. Doch seit sich die Situation der Apotheken durch Arzneimittelknappheit, Versorgungsengpässe, Bürokratie und den Onlinehandel extrem verschärft hat, stoßen sie und ihr Team an ihre Grenzen. „Wir sind wirklich fertig“, sagt sie, manchmal sei ihr am Abend zum Weinen.
Aber es ist nicht Prochaskas Art, den Kopf in den Sand zu stecken, deshalb hat sie einen Hilfe-Brief an den CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Günter Krings geschrieben, in der Hoffnung, dass er sich in Berlin für die Apotheken stark macht. „Wir müssen gehört werden“, sagt die engagierte Chefin eines elfköpfigen Teams und sieht ihren Brief als Hilferuf an alle Abgeordneten. Günter Krings kam tatsächlich und informierte sich gestern vor Ort.
Andrea Prochaska nennt Beispiele für die belastenden Umstände unter denen Apotheker*innen derzeit ihren Job machen müssen. Es passiere nicht selten, dass auf einem Rezept kleine Formfehler seien, zum Beispiel bei der Dosierung. Es könnten auch das Abgabedatum oder die Pharmazentralnummer auf dem Rezept nicht stimmen oder fehlen. Dann dürfe der Apotheker das nicht einfach korrigieren, sondern müsse sich das Rezept von der Arztpraxis korrigieren lassen. Was das heißt, weiß jeder, der in der letzten Zeit mal versucht hat, in einer Arztpraxis anzurufen... Geht das Rezept unkorrigiert an die Krankenkasse, so nimmt diese eine so genannte Retaxation vor, das heißt, sie verweigert Zuschläge oder die ganze Erstattung eines bereits rausgegebenen Medikamentes, und der Apotheker bleibt auf den Kosten sitzen, habe dem Patienten quasi „einen ausgegeben“. Anderes Beispiel: Durch Lieferengpässe ist das auf dem Rezept angegebene Medikament nicht vorrätig, dann dürfen die Apotheker nicht ersatzweise ein anderes mit demselben Wirkstoff rausgeben, sondern müssen auch in diesem Fall von der Arztpraxis ein neues Rezept ausstellen lassen. „In der Corona-Zeit hat man die Regelung gelockert und uns aus Not die Kompetenz zugesprochen, doch jetzt sind wir wieder zurück in der ‚Steinzeit’“, sagt Andrea Prochaska, die ihr Pharmaziestudium nicht ausreichend gewertschätzt sieht. 30 bis 50 Rezepte am Tag hat die Sonnen Apotheke, wo etwas nachträglich verändert werden muss, zwei bis drei Stunden ist eine Angestellte nur damit beschäftigt, die dazugehörigen bürokratischen Hürden zu nehmen. Die „Entschädigung“ für den Aufwand mit 50 Cent pro Fall, sieht Andrea Prochaska als „Schlag ins Gesicht“ der Apotheker.
„Die Politik muss etwas machen“, stimmt Günter Krings der Apothekerin zu, etwa bürokratische Hürden abbauen und dafür sorgen, dass wieder mehr Medikamente in Europa und in Deutschland produziert werden. Denn die Produktion im nichteuropäischen Ausland sei Teil des derzeitigen Nachschubproblems.
Und dann hat Andrea Prochaska noch ein unglaubliches Beispiel in Sachen Onlinehandel: Während Apotheken regelmäßig nachweisen müssen, dass ihre Botendienste bei der Lieferung von Medikamenten bestimmte Temperaturen nicht überschreiten, dürfen Onlinedienste bei 35 Grad im Schatten von ganz normalen Paketzustellern ohne jede Vorgabe liefern lassen, was sie wollen... kein Wunder, dass sie so auch billiger anbieten könnten. „Es kann nicht sein, dass wir vor Ort nur noch dafür da sind, wenn Akutversorgung gefragt ist“, sagt Andrea Prochaska.