Stammtisch für alte Röhrenradios Musik aus alten Röhrenradios
Nettetal · Der Nettetaler Holger Pflug besitzt knapp 100 Radios aus den 30er- bis 70er-Jahren. Mit weiteren Röhrenradio-Freunden lädt er jetzt zum Stammtisch ein.
Feine Kabel, kleine Lötstellen, alten Kondensatoren - der Nettetaler Holger Pflug sitz an seinem „Arbeitsplatz“ mit dem Lötkobeln in der Hand. „Heute geht es um ein altes Küchenradio aus den 70er- Jahren“, sagt er mit ernster Stimme. Dann ist er eine Moment still. Die Stelle ist gelötet. „Das ist wie eine Operation am offenen Herzen“, scherzt er. Doch der 56-jährige Postbeamte weiß genau, was er da tut. Denn wieder Leben in alte Radios einhauchen, das kann er und macht er gerne. Kein Wunder, hat seine Leidenschaft für alte Radios ihn doch schon seit seiner Kindheit geprägt. „Es war ein Loewe Opta von 1959“, erinnert er sich. Den habe er von seiner Ur-Großmutter vererbt bekommen „...wobei vererbt ist nicht ganz richtig. Ich habe das Radio zu meinem zehnjährigen Geburtstag bekommen. Da war das Radio gerade mal zwölf Jahre alt - also fast neu“, erinnert er sich.
Als er dann 1996 ein altes Radio auf dem Sperrmüll gefunden hatte, war es ganz um ihn geschehen. „Und das alte Ding funktionierte sogar noch“, so der Radiofreund weiter. „Damals gab es noch solche Sperrmüll-Funde - heute ist das kaum noch denkbar und eher selten.“
Über Sammlerbörsen und Kleinanzeigen fand er so weitere alte Radio-Schätze, die durch ihr anmutiges Design eher wie wertvolle Möbelstücke aussehen. „Ich musste dann im Dachboden Regale bauen, um die Radios dort einzustellen. Mittlerweile befinden sich knapp 100 solcher alter Radioschätze in seinem Besitz - das älteste Radio ist ein Paillard von 1936, das Jüngste ein Telefunken von 1979. „Das Besonderen an diesem Telefunken ist, dass es das erste Radio mit einer Digitalanzeige war“, weiß der versierte Hobby-Schrauber. Apropos Schrauben „... das macht an alten Geräten viel mehr Spaß. Sie sind von der Technik viel einfacher - aber bei weitem nicht schlechter als moderne Radios oder Stereoanlagen.“
Holger Pflug kann es auch gleich an mehreren alten Geräten demonstrieren und in der Tat - die alten Radioschätze sehen nicht nur beeindruckend aus, sondern haben auch einen Sound und Klang, der heutigen modernen Geräten in nichts nachsteht. „Man kann sogar einen Stecker anlöten, so das man ein Mobiltelefon anschließen und seine Lieblingslieder über ein altes Radio hören kann.“
Das größte sogenannte Radio- Tischgerät, das er je in seinem Besitz war, war eine Siemens Schatulle P 48 - das übrigens auch größte je in Deutschland hergestellte Radio. „Das war von 1954 und kostete damals stolze 780 D-Mark“, weiß Holger Pflug.
Mittlerweile ist Holger Pflug als Radio-Fan kein unbekannter mehr. „Mir haben schon Leute ihre alten Röhrenradios einfach vor die Tür gestellt - ganz anonym“, schmunzelt er. Tatsächlich ist die Nachfrage nach solchen alten Schätzen groß - vor allem im asiatischen Raum. „Dort sind diese alten Radios sehr begehrt - vor allem wenn sie technisch überholt worden sind“, erklärt er. Entsprechend ist man als Radio-Fan auch international vernetzt. „Holland, Frankreich, Belgien - überall gibt es Radiofans, die an alten Röhrenradios schrauben. Man tauscht sich aus“, sagt er - so wie nächste Woche eben auch beim Stammtisch, wo auch Gäste aus Frankreich erwartet werden.
Trotzdem: Wie fast viele Vereine haben auch die Radiofreunde Nachwuchsprobleme. „Dabei macht das Reparieren solcher Geräte so viel Spaß“, sagt Holger Pflug, dreht am Regeler eines seiner Radios, lehnt sich zurück in seinen Sessel und lässt sich vom tollen Sound, der aus dem alten Gerät kommt, berieseln. „Einfach nur toll.“