„Der Bereich Akut- und Notfallmedizin hat durchaus eine größere Bedeutung gewonnen“, erklärt Josef Lübbers, der Geschäftsführer des Kamp-Lintforter Krankenhauses. Seit zehn Jahren sei die neue Abteilung deshalb schon in der Entwicklung gewesen, seit acht Jahren mit einem eigenen ärztlichen Leiter. Seit dem 1. März hat die Klinik für Akut- und Notfallmedizin im St.-Bernhard-Hospital einen neuen Chefarzt: Oleg Volovitch, 37 Jahre alt, aus Düsseldorf, geboren und aufgewachsen in Mülheim an der Ruhr, wo seine Eltern schon Ärzte waren. „In einer Beziehung würde man sagen: Liebe auf den ersten Blick“, sagt Lübbers zum „Neuen“, und Conrad Middendorf, Regionalgeschäftsführer der St.-Franziskus-Stiftung, zu der das St. Bernhard gehört, bestätigt: „Wir haben schon in den ersten Wochen gemerkt, dass Oleg Volovitch eine sehr klare Vorstellung davon hat, was Notfallmedizin bedeutet.“
Nämlich: Entscheidungen treffen. „Kommt ein Notfall, muss alles Notwendige schnell erhoben werden“, sagt Martin Grummel, ärztlicher Leiter am St. Bernhard, „der Blick fürs Wesentliche ist entscheidend.“ Den hat sich Oleg Volovitch an seinen bisherigen Stationen in Mönchengladbach, Krefeld und an der Uni Düsseldorf erworben. Was den Auf- und Ausbau der neuen Fachabteilung angeht, arbeitet Volovitch an einer noch stärkeren Vernetzung mit den Hausärzten und Rettungsdiensten in der Umgebung. Ein starkes Team hat er schon. Wurden früher Ärzte aus den verschiedenen Kliniken des Krankenhauses zur Notaufnahme abgestellt, sind jetzt fünf Ärzte in Voll- oder Teilzeit nur für Notfälle da, unterstützt von 22 Vollzeitstellen in der Pflege, die ebenfalls auch von Teilzeitkräften ausgefüllt werden. „Blindes Verständnis“, sagt Josef Lübbers, sei der Vorteil, wenn Ärzte und Pflegekräfte in einer eigenen Abteilung Tag für Tag zusammenarbeiten.
Von der Notaufnahme hängt viel ab: Als Beispiel nennt Volovitch den 70-jährigen Rentner, der gestürzt ist und über Schmerzen in der Brust klagt. „Wir in der Notfallmedizin müssen dann herausfinden: Was ist das führende Bedürfnis, das Hauptleiden?“ Im Beispiel also: Sind die Brustschmerzen möglicherweise eine Ursache des Sturzes oder nur eine Folge? Ist eine Operation erforderlich oder erstmal eine weitere internistische Beobachtung? „Danach entscheiden wir dann, in welche Abteilung der Patient zur weiteren Behandlung kommt.“ Nie zu wissen, was auf einen zukommt, und täglich schnelle, wichtige und richtige Entscheidungen zu treffen, dieser Mix macht für Volovitch den Reiz an der Akut- und Notfallmedizin aus.
Von 17.000 auf 24.000 sei die Zahl der Patienten in den letzten Jahren gestiegen, berichtet Lübbers, und zwei Drittel der Patienten kämen über die Notaufnahme. Hier gab es also klaren Handlungsbedarf, und ein weiterer Ausbau der neuen Klinik sei durchaus denkbar, etwa dass die Zahl der Betten von bisher sechs auf zwölf wächst, dass auch eine KV-Notfallaufnahme nach Kamp-Lintfort kommt, die Bildung einer integrierten Notfallversorgung - Lübbers: „Das können wir uns gut vorstellen, da sind wir gut aufgestellt.“ In den nächsten fünf Jahren ist deshalb auch ein Erweiterungsbau angepeilt.
Es folgt ein Exkurs von Dr. Middendorf über Notfallmedizin im Allgemeinen und die Rahmenbedingungen von Bund und Land im Besonderen. „Schreiben Sie nicht mit“, sagt Lübbers, „da kommen Sie niemals hinterher.“ Zusammenfassend nur so viel: Wenn Sie, verehrte Leserin, verehrter Leser, mal ein anderes Wort für „Raketenwissenschaft“ brauchen, versuchen Sie’s damit: „Krankenhausplanung“.
Oleg Volovitch, dem die neue Aufgabe jedenfalls kaum noch Zeit lässt für seine Hobbies Taekwondo und Schach, will zumindest die Zeit gewinnen, die er bisher auf der täglichen Fahrt von und nach Düsseldorf verliert: Der Umzug mit der Lebensgefährtin nach Kamp-Lintfort soll noch in diesem Jahr erfolgen.