Identität einer Textilstadt
Mönchengladbach · „Der Rote Faden“ – so lautet der Titel einer künstlerischen Installation, die ab diesem Wochenende und noch bis zum 20. Dezember an verschiedenen Orten im öffentlichen Raum die Identität der Textilstadt Mönchengladbach als Lebens- und Arbeitswelt in den Blick nimmt. Projektträger ist das Arbeitslosenzentrum Mönchengladbach.
Großformatige fotografische Portraits von Menschen mit einem Bezug zur Textilindustrie sowie Bilder von ehemaligen wie aktuellen Lebensräumen, Fabriken, Logistikzentren und Forschungsstätten werden im öffentlichen Raum des Quartiers Abteiberg als ein Parcours mit mehreren Stationen präsentiert. Die Bilder kommen von den beiden Fotokünstlern Cora Straßburg (Mönchengladbach) und Joshua Eckstein (Mülheim), die das von Dr. Bernhard Jansen kuratierte und von der Stadt geförderte Projekt gemeinsam mit dem Arbeitslosenzentrum (ALZ) realisierten.
Für das ALZ ist es die dritte Kooperation mit Dr. Jansen, der festhält, dass das diesjährige Projekt – bedingt durch Corona – eines „mit besonderen Herausforderungen“ gewesen sei. So hätten sich die ursprünglichen Planungen, eine Fotoausstellung im Gebäude des Arbeitslosenzentrums zu zeigen, Ende März/Anfang April komplett zerschlagen. „Wir mussten das Ganze komplett neu denken und erstmal Ideen sammeln“, so Jansen. Schließlich entschied man sich, mit den Fotografien der beiden Künstler sowohl in den öffentlichen als auch in den virtuellen Raum zu gehen.
Virtuell ist der Parcours dabei insofern, als sich der Besucher an jeder Station mittels QR-Code zur nächsten führen lassen oder einfach die Bilder auf dem Smartphone anzeigen lassen kann. Stationen auf dem Kurs sind das Arbeitslosenzentrum, die Lüpertzender Straße, das ehemalige Schwimmbad am Berliner Platz, das Jugendzentrum Step, das Stiftische Humanistische Gymnasium und die Citykirche am Alten Markt.
Mehr individuelle Wahrnehmung
als Dokumentation
Die künstlerische Auseinandersetzung mit der textilindustriellen Identität und Geschichte der Stadt Mönchengladbach, wie sie Cora Straßburg und Joshua Eckstein vornehmen, versteht sich nicht als Dokumentation. Vielmehr ist sie geprägt von der individuellen Wahrnehmung der Künstler und ermöglicht den Bürgern einen niederschwelligen Zugang zu dem Thema. Die Arbeit der beiden Fotografen stellt das historische und moderne Mönchengladbach in einen Zusammenhang und beleuchtet die Textilgeschichte von den Hochzeiten der Textilindustrie bis in die Gegenwart, die ihrerseits durch die Hochschule Niederrhein und die großen Logistikzentren von Zalando und Amazon geprägt ist. „Wir wollten einfach zeigen, wie sehr die textile Geschichte visuell noch in der Stadt präsent ist“, erklärt Cora Straßburg den Ansatz der beiden Fotokünstler.
Ein Thema von
gesellschaftlicher Relevanz
„Wer Mönchengladbach verstehen will, der kommt an der Geschichte dieser Stadt im textilen Bereich nicht vorbei. Die Krise in der Textilindustrie Anfang der 1980er Jahre ist eine Zäsur, die bis heute nachwirkt“, sagt Karl Sasserath, Leiter des Arbeitslosenzentrums, und hat dabei besonders die Sozialstruktur im Sinn. „An die Stelle der Bekleidungsindustrie ist heute die Logistik getreten. Auch hier haben wir aber viele Menschen in prekären Lohnverhältnissen“, umreißt Sasserath, warum das Thema für ihn und das Arbeitslosenzentrum von so großer Relevanz ist.