Die Erinnerungen an eine Legende
Nettetal · Hello, we're The Cashbags! Die Johnny-Cash-Tribute-Band machte Halt in Nettetal. Die Musiker verneigten sich vor dem großen Sänger, bewahrten die Treue zum Original und hielten so die Erinnerung wach an den "Man in black."
Der Vorhang ist noch geschlossen. Zwei Mikrofone sind davor platziert. Ein paar Meter weiter entfernt ein erwartungsvolles Publikum. Johnny-Cash-Fans — das ist anzunehmen. Dann der Adrenalinstoß. Die "Tennessee Three" legen diesen Boom-chicka-boom-Sound in die Werner-Jaeger-Halle, warm und gleichzeitig kraftvoll. Der Vorhang geht auf, Robert Tyson kommt auf die Bühne, gekleidet in Schwarz, die schwarze Akustische im Gepäck. "Big River" rauscht als Opener mitten ins Cash-Herz.
Was folgt ist eine gut zweistündige Show, gespickt mit Titeln aus der gesamte Karriere des Johnny Cash. Wir nehmen es vorweg: Am Ende wird es stehende Ovationen geben. Das Publikum ist schlicht weg begeistert.
Bei mir ist die Wirkung eine andere: Ich weiß schon nach den ersten drei Songs, dass ich noch am gleichen Abend an den Musikschrank gehen und nach den Johnny-Cash-Alben greifen werde. Die Cashbags haben es geschafft: Mit ihrer Spiellust, mit ihrer Professionalität, mit ihrer Musikalität ist es ihnen gelungen, das 2003 verstorbene Idol in die Realität zurückzuholen.
Dabei greifen die Cashbags nicht nur in die Kiste der Hits: Natürlich spielen sie "Ring of Fire" und "Folsom Prison Blues" und "I Walk the Line" und "A Boy Named Sue", sie greifen auch in die Trickkiste des Theaters. Gitarrist Stephan Ckoehler steht zunächst wie in Stein entworfen auf der Bühne, wenn er den Luther Perkins mimt. Nur seine Finger bewegen sich. Als er sich in Carl Perkins und später in Bob Dylan verwandelt, kann er seinem Talent noch das Sahnehäubchen verpassen.
Schlagzeuger Tobias Fuchs (spielt W. S. Holland) und Bassist Brenny Brenner (spielt Marshall Grant) legen ein rhythmisch perfektes Fundament, einen Teppich, auf dem sich alle perfekt bewegen können.
June Carter Cash, diejenige, die Johnny Cashs Seele eingefangen und ihn vor dem Ruin gerettet hatte, darf nicht fehlen. Sie steht an diesem Abend Valeska Kunath zur Seite, die mit ihrer glasklaren Stimme genau den Ton für Sänger Robert Tyson trifft. Dass sie mit der Autoharp in der Hand mit "Wildwood Flower" auch an die Carter Family erinnert, ist ein wunderbarer Moment.
Derweil dreht Robert Tyson sein linkes Bein permanent im 90-Grad-Winkel nach außen und wieder nach innen, schiebt die Gitarre weit nach hinten, schlägt das Plektrum ganz vorn am Griffbrett, spricht mit Herzblut von Johnny Cash. Das alles ist gut beobachtet. Das Publikum erinnert sich: Ja, so war's. Genau so war's.
Roberty Tyson hält die Spannung hoch, als er allein Songs aus den American Recordings zelebriert. Diese Aufnahmen hatten Johnny Cash wieder enormen Aufwind gegeben, als viele ihn schon abschreiben wollten. "Delia's Gone" singt er, das erste Lied der ersten CD aus Cashs wunderbarer Reise in den späteren Jahren.
Als Stephan Ckoehler, Brenny Brenner und Robert Tyson in der Bühnenmitte ganz eng zusammenrückten, Tyson ein Stück Papier unter die Gitarrensaiten zog, um den Sound einer Snaredrum zu imitieren, wurde das Publikum in die späten 50er Jahre katapultiert. Hier, im Studio der Sun Records fing alles an: Johnny Cash und die Tennessee Two.
Ein glücklicher Abend für die Nettetaler Musikwelt, ein glücklicher Abend für die diejenigen, die vor Ort waren. Wer es nicht in der Werner-Jaeger-Halle geschafft hat, dem bleibt Youtube. Auch schön. Aber diese wunderbare Stimmung, die die Cashbags live zu Tage förderten, lässt sich so nicht zurückholen. Da bleibt nur Hinterherreisen.
Weitere Tourdaten auf www.atributetojohnnycash.com.