Haus Paland wird geopfert
Borschemich · Das Haus Paland in Borschemich stammt aus der Zeit um 1600, indes reicht die Tradition der ehemaligen Wasserburg bis ins 13. Jahrhundert zurück. Inhaber Wilfried Lörkens ist in dem Haus geboren. Aus Liebe zu seiner Heimat hat er mehr als 30 Jahre an der Restaurierung des denkmalgeschützten Kleinods gearbeitet.
Und jetzt wartet der Abrissbagger; spätestens bis Mitte 2015 muss das historische Haus geräumt sein.
Runtergelassene Rolläden, mit dunklen Holzplatten verrammelte Fenster und Türen und Abrissbagger, deren zerstörerisches Werk durch die glatt gezogenen Trümmergrundstücke zwischen den noch bestehenden Häusern zu erahnen ist. Borschemich ist zu einem Geisterdorf geworden, in deren Mitte das Haus Paland wie eine Oase erscheint. Die Buchenhecke ist akkurat gepflegt, die Wiesen frisch geschnitten, die Kieszufahrt wirkt wie geputzt; im Schatten steht — umrahmt von einer Sitzgruppe — ein Tisch mit frischen Blumen, daneben liegt die Tageszeitung. Offenbar hat der Hausherr gerade noch darin geblättert. "Seit mehr als 180 Jahren ist das Haus im Besitz unserer Familie", erzählt Wilfried Lörkens, der bei den jüngst stattgefundenen Kommunalwahlen wieder in den Rat der Stadt Erkelenz eingezogen ist. Er ergänzt: "Von allen Eigentümern hat die Familie Lörkens am längsten in dem Haus gewohnt." Er stockt einen Moment und seufzt: "Wenn ich ehrlich bin, kann ich es immer noch nicht richtig glauben, dass wir hier weg müssen." 1998 wurde in Borschemich das 1100-jährige Bestehen des Ortes gefeiert und so richtig dachte von den 620 Dorfbewohnern damals wohl kaum jemand daran, dass das Schreckgespenst "Garzweiler II" Wirklichkeit werden würde. Acht Jahre später, am 1. Juli 2006, begann die Umsiedlung des Ortes an den östlichen Erkelenzer Stadtrand nach Borschemich (neu). Wilfried Lörkens und seine Lebenspartnerin leben alleine auf Haus Paland, nachdem seine Tochter Vera unlängst mit ihrer Familie nach Rath-Anhoven umgezogen ist. Sie gehören zu den 40 noch verbliebenen Einwohnern im Ort.
Der 62-Jährige erinnert sich an seine Kindheit, die er hier verlebte: "Wenn ich aus der Schule kam, führte mein Weg immer erst zur Oma hier im vorderen Teil des Hauses; wir wohnten in dem hinteren Bereich, da drüben."
Einmal hatte seine Oma zu ihm gesagt: "Du musst mir versprechen, dass du dieses Haus in Ehren hältst und dass es nie unter den Hammer kommt." Jahre später begann er, das Haus akribisch zu restaurieren, neben seiner Arbeit als Angestellter bei der Stadtsparkasse Mönchengladbach. "In den vergangenen 25 bis 30 Jahren stand immer irgendwo ein Gerüst", erzählt Wilfried Lörkens. Er beschreibt, mit welchem Aufwand er sein Geburtshaus, das früher von einem Wassergraben umgeben war, in ein kleines Schmuckstück verwandelte. Er erinnert sich an die Kräfte zehrenden Ausschachtungsarbeiten zur Trockenlegung des Hauses und an Arbeiten in luftiger Höhe. Es ist ihm anzumerken, wie viel Herzblut in die langjährige Arbeit geflossen sein muss. Lockere Steine wurden befestigt, Risse im Mauerwerk beseitigt und mehrere Fensterstürze erneuert. Das Dach wurde neu eingedeckt, vorher mussten alte marode Sparren ausgetauscht werden." Lörkens erklärt: "Außer den Doppelglasfenstern, die nach Vorgaben des Denkmalschutzes angefertigt werden mussten, habe ich hier alles selbst gemacht." Er räumt ein: "Ohne Mithilfe hätte ich es allerdings nicht geschafft." Dabei kommt er auf seine Schützengruppe 'Grüne Husaren' zu sprechen, die immer da war, wenn wieder ein neuer Bauabschnitt bewältigt werden musste. Und natürlich wurde auch gefeiert. "Früher hat hier auf der Wiese das Festzelt gestanden", erinnert sich Lörkens an die Schützenfeste in seinem Heimatort; 1996 war er selbst Schützenkönig und mehrere Jahre lang stellvertretender Brudermeister in der Bruderschaft. Seine Burg ist seit ein paar Jahren so, wie er sie sich immer gewünscht hatte. In Borschemich (neu) entsteht indes eine neue Bleibe für die Zeit danach. Freude über den Neubau empfindet Wilfried Lörkens nicht, eher ein Gefühl der Ohnmacht, wie er eingesteht. Aber kämpfen will er nicht mehr. "Das letzte Jahr werde ich hier noch richtig genießen." Auf einer Sandsteinplatte am Giebel des Hauses Paland stand — wie eine alte Abbildung belegt — "TANDEM BONA CAUSA TRIUMPHAT". Durch die Witterung ist die Inschrift unleserlich geworden; und das ist wohl auch gut so. "Endlich triumphiert die gute Sache" würde jetzt nur noch wie Hohn klingen.